Das ist einer der wenigen Ausnahmefilme, für den ich kürzlich gegen meinen Flatschen-Boykott verstoßen mußte. Für mich steht "Salaam Bombay" in einer Reihe mit den Meisterwerken des zeitgeschichtlichen urbanen Jugenddramas: "Scuiscia", "Los Olvidados", "Pixote", "Cidade de deus"...
Es hat ja lange genug gedauert, bis der Film in deutscher Fassung überhaupt als Einzel-DVD rauskam (vorher nur in der Mira Nair Box erhältlich). Im Hause Universum hatte anscheinend letzten Sommer jemand einen Geistesblitz und bemerkt, daß sich der seit Jahren in ihrem Rechte-Archiv ungenutzt vergammelnde Film vielleicht ganz gut im Kielwasser von "Slumdog Millionaire" verkaufen ließe. So hat man zum DVD-Release von "Slumdog Millionaire" auch eilig eine DVD mit "Salaam Bombay" auf den Markt geworfen. Die nächste angekündigte Edition kommt in der Reihe "Große Kinomomente" von Universum, also nur ein anderes Cover.
Der Vergleich mit "Slumdog Millionaire" ist berechtigt, "Salaam Bombay" kann man ruhig als eine Art Urversion des Motivs um einen Straßenjungen in Bombay betrachten. Im Vergleich beider Filme sieht man, wie radikal die Stadt und auch die indische Gesellschaft sich in nur 20 Jahren verändert hat.
Die wunderbare Soundtrack-CD
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FILMBESPRECHUNG
Von seiner Familie in einem Dorf bei Bangaloore wird Krishna fortgejagt. Er darf erst wieder kommen, wenn er 500 Rupien verdient hat, um den Schaden zu bezahlen, den er aus Wut bei seinem prügelnden älteren Bruder angerichtet hat. Zuerst schuftet Krishna bei einem Zirkus. Als dieser weiterzieht, während der Junge für den Chef eine Besorgung macht, kauft er sich vom letzten Geld eine Fahrkarte in die nächste Stadt.
In der großen Stadt Bombay taucht der 10jährige Krishna ein in eine ihm bislang unbekannte Welt von Geschäftigkeit und Kriminalität, Drogenhandel und Prostitution. Er findet Anschluß an eine Bande von Straßenkindern, die mit täglich neuen Gelegenheitsjobs versuchen zu überleben.
Als Teekurier in den Straßen eines Rotlichtviertels verdient sich Krishna, den hier alle Chaipau nennen, einige Rupien und beginnt zu sparen, damit er bald in sein Dorf zurückkehren kann. Eines der Häuser, in das Krishna Gläser mit frischem Tee liefert, ist ein Bordell. Dort erblickt der Junge die schöne Solasaal und verliebt sich sofort in sie. Das jungfräuliche Mädchen war gerade an die Besitzerin des Bordells verkauft worden, welche das Kind nun für einen besonderen Kunden vorbereitet.
Krishna freundet sich mit dem älteren Chillum an, der für Baba, den Drogendealer und Zuhälter des Viertels, Drogen verkauft und selbst süchtig ist. Als Chillum von Baba verstoßen wird, weil die Drogen ihn zerfressen haben, kümmert sich Krishna um den kranken Freund und besorgt ihm Stoff. Weil er deshalb seine Arbeit bei dem Teeverkäufer Chacha vernachlässigt, verliert er den Job. Chillum stirbt, und Krishna muß feststellen, daß sein Freund ihm sein gespartes Geld gestohlen hat.
Wieder muß Krishna ganz von vorne anfangen. Nach einem fleißigen Arbeitstag wird der Junge in der Nacht von einer Polizeistreife an der Straße aufgegriffen. Man glaubt ihm nicht, daß er gearbeitet hat und steckt ihn als angeblichen herumstreunenden Dieb in ein staatliches Kinderheim, das mehr einem Gefängnis gleicht. Es gelingt ihm die Flucht. Krishna möchte mit seiner geliebten Solasaal die Stadt verlassen. Aber über das Schicksal des Mädchens haben schon andere entschieden...
In der städtebaulich noch von der britischen Kolonialzeit geprägten Metropole Bombay zeigt Mira Nair der Welt mit melancholischen Untertönen eine Innenansicht von Indien in den 1980er Jahren. Zeit für eine Kindheit gibt es für Krishna und viele andere Kinder nicht. Der 10jährige trägt das Schicksal mit bewundernswerter Tapferkeit. Trotz mehrerer Rückschläge gibt er sein Ziel nicht auf, das nötige Geld zusammenzuverdienen, damit er in sein Dorf zu seiner Familie zurückgehen kann. Die Begegnung mit Solasaal ändert allerdings Krishnas Pläne. Der Junge unternimmt alles, um zu verhindern, daß sie in dem Bordell zu einer Sexsklavin gemacht wird. Doch gegen die Übermacht der Erwachsenen kommt Krishna nicht an. Seine Tränen kommen aus seinem Herzen.
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