DER KLEINE NICK
Originaltitel: Le Petit Nicolas
Regie: Laurent Tirard
Darsteller:
Maxime Godart - und viele andere
Frankreich 2009
Die erfolgreichste Kinderkömodie des Jahres 2009 in Frankreich startet am 26.8.2010 in deutschen Kinos.
Bei dem Plakat braucht man eigentlich gar nichts weiter sagen
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FILMBESPRECHUNG
Joachim hat ein kleines Brüderchen bekommen. Das gefällt ihm gar nicht. Mit dem kleinen quäkenden Würmchen kann man nichts anfangen, und trotzdem steht es ständig im Mittelpunkt. Ausführlich berichtet Joachim seinen Schulfreunden, was sich dadurch in letzter Zeit alles bei seinen Eltern verändert hat.
Plötzlich beobachtet Nicolas bei seinen Eltern genau dieselben Symptome. Statt sich wie gewohnt unentwegt in den Haaren zu liegen, weil sie sich in ihrer Besserwisserei gegenseitig übertreffen wollen, sind Mama und Papa ganz auffällig nett zueinander. Könnte es etwa sein, daß auch er einen Bruder bekommt? Als dann seine Eltern auch noch einen gemeinsamen Ausflug in den Wald ankündigen, ist sich der 8jährige sicher: Sie wollen ein neues Baby haben und ihn dafür im Wald aussetzen, so wie in dem Märchen vom kleinen Däumling!
Das muß Nicolas unbedingt verhindern! Zum Glück hat er viele gute Freunde, die ihm bedingungslos beistehen. Die Jungs machen die abenteuerlichsten Pläne. Man könnte einen Gangster beauftragen, das Baby verschwinden zu lassen; aber dafür muß ganz schön viel Geld aufgetrieben werden. Nicolas könnte versuchen seine Eltern davon zu überzeugen, wie furchtbar lieb er ist, damit sie ihn behalten; das ist auch alles andere als einfach. Wenn das alles nichts hilft, könnte er vielleicht weglaufen und auf einem Schiff anheuern.
Die verrückten Aktionen von Nicolas und seinen Freunden stürzen die Familie in noch mehr Chaos. Und die am Rande des Nervenzusammenbruchs stehenden Eltern haben nicht die leiseste Ahnung, was in ihren Filius gefahren ist...
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In der frankophonen Hemisphäre ist "Le Petit Nicolas", eine Kreation von "Asterix"-Schöpfer René Goscinny und Zeichner Jean-Jacques Sempé, seit Erscheinen des ersten Bands 1960 eine populäre Comicfigur. Der pfiffige Grundschüler begeistert Kinder und Erwachsene seit Generationen mit seinen liebenswert naiven Unternehmungen. Zu seinem 50. Geburtstag kommt "Der kleine Nick" erstmals als Realfilm ins Kino. Schon das Plakat verspricht ein Fest für Liebhaber von lustigen Lausbubengeschichten.
Der Film spielt in der Entstehungszeit des ersten Comics. Kulisse und Kostüme sind im Stil der späten 1950er und frühen 1960er Jahre. Die Wohnungseinrichtung leuchtet in den kräftigen Pastellfarben, das Design hat die schlichten, funktionalen Formen jener Epoche. Die Knaben tragen ganzjährig kurze Hosen, Hemden und gestrickte Pullunder. Es ist eine herrlich nostalgische und durch die Überzeichnung der Mode auch unwirkliche Welt aus der Vergangenheit. Deshalb wirkt sie für die Erzählungen von den Abenteuern des kleinen Nicolas (Nick) als zeitlose Projektionsfläche.
Die Welt von Nick besteht aus seinen Eltern, seinen Freunden und der Schule. Nicks Kameraden sind eine eingeschworene Bande, obwohl sie alle charakterlich grundverschieden sind. Jeder von ihnen hat seine klar definierte Funktion in der Clique und in der Klassengemeinschaft. Wenn sie mal nicht gerade ein Problem wie das mit Nicks zukünftigem Brüderchen zu knacken haben, treiben die Buben in der Schule Schabernack mit den Lehrern, vor allem mit einem, den sie spöttisch Le buillon (Hühnerbrüh) rufen. Manchmal sind sie sich bei der Durchführung ihrer Pläne uneins, es gibt Streit und Schmollgesichter, dann aber kommen sie auch wieder auf verblüffend kreative Lösungen, wie etwa bei der Frage, wer Anführer der Bande sein soll.
Alle Jungen um Nick herum sind als sehr prägnante Persönlichkeiten ausgestaltet. Die Kamera zeigt die Gesichter häufig in großer Portraiteinstellung. Auch wenn das brave Styling der Kinder etwas zu klinisch ausfällt, womit die leicht märchenhafte Atmosphäre betont werden soll, ist es eine Freude, den kessen Knirpsen bei ihren Faxen zuzuschauen. Hervorstechend sind unter den jungen Darstellern Charles Vaillant als reiches Söhnchen Geoffroy (Georg) und Victor Carles als Klassenschlechtester Clotaire (Chlodwig). Hauptdarsteller Maxime Godart gibt in seiner ersten Kinorolle dem kleinen Nick ein Gesicht von puppenartiger kindlicher Unschuld, hinter dessen blauen Augen die Gedanken beängstigend brodeln und sich zu fast diabolischen Fantasien zusammenbrauen. Aus Kinderperspektive wird die Welt zur Geisterbahn.
Nicks Eltern haben derweil so ihre ganz eigenen Sorgen. Ihr Eheleben ist eine Wechseldusche aus Krach und Liebe. Die unerklärlichen Streiche ihres Sohnemanns funken da immer wieder in den ungünstigsten Momenten kräftig dazwischen. Der Bengel versteht es prächtig, ihre Anstrengungen bei der Erreichung ihrer neuen Ziele zu versüßen. Mama will den Führerschein machen; und Papa will seinen Chef Monsieur Moucheboume (Herr Maßbaum) mit Gattin zum Abendessen einladen, um die ersehnte Beförderung durchzudrücken. Kad Merad und Valérie Lemercier stellen die Eltern als so urkomisches Paar dar, daß man schnell gewahr wird, woher der kleine Nick all seine kuriosen Einfälle hat. Es muß dem Jungen regelrecht im Blut liegen.
Die Verzahnung von Nicks Kampagne zur Vermeidung eines kleinen Bruders mit den turbulenten Ereignissen zu Hause und den Geschehnissen im Schulalltag transportiert den Film in flottem Tempo vorwärts. Diese französische Familienkomödie ist wirklich ein großer Spaß, es gibt viel zu lachen. Auf rührend lustige Weise behandelt die Geschichte das allgemeine Kindheitstrauma, das jeder Erstgeborene kennt, nämlich durch die Geburt eines Geschwisterchens die eigene Stellung als Sonnenkönig in der Familie einzubüßen und die Furcht, von den Eltern nicht mehr geliebt zu werden. "Wozu brauchst du denn noch ein Kind? Du hast doch mich!" soll ich der Legende nach als Dreijähriger vorwurfsvoll meiner Mama vorgehalten haben, als sie mich über das neue Baby aufklärte. So ein kleiner Nick steckt also in vielen von uns, deshalb mögen wir ihn so.
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