Endlich ises mir gelungen den Film mal in HD aufzuzeichnen und auch gleich das erste Mal komplett zu sehen.
Ich hab zwar immer die DVD in meiner Sammlung gehabt, aber bis auf kurze Sneak Peeks hatte ich mich noch nicht an den komplexen, aber durchaus gut verständlichen Film herangewagt. Witzig ist der Film wirklich nicht, er hat seine grotesken Momente, wo er kurios erscheinen mag, ich persönlich seh auch keine Holocaustparallelen (wenn man sie sehen WILL, dann sind sie da)...jedenfalls gehen meine Eindrücke nicht in diese Richtung. Hätte auch nichts dagegen, wenn diese tatsächlich von jemandem, der den Film gesehen hat, zur Kenntnis genommen werden und ggf. auch kommentiert werden...ich schreib mir ansonsten recht selten nen Wolf hier ab, aber in dem Fall habe ich SEHR GERNE eine Ausnahme gemacht.
SPOILER ANFANG
Man könnte jetzt viel analysieren, mich erinnert der Film an die gesellschaftskritischen Untertöne der Filme eines Jacques Tatis, der die Krankheit: Zivilisation auf eine weit amüsantere Art ergründete. Es geht um eine Familie die sich ein eigenes, friedliches und sicheres Idyll aufgebaut hat, ohne störende äußere Einflüsse. Allein die intimen Einblicke zeigen, dass man sich nicht schämt, wie heute schon in vielen Familien üblich, sich nackt gegenüber zu stehen und ähnliches.
Der Neuausbau der Autobahn droht allerdings diesen idyllischen Mikrokosmos zu erschüttern. Sie ist laut, dreckig, gesundheitsschädlich und letztendlich auch lebensgefährlich und dringt immer mehr in das physische als auch in das mentale Leben der Familienmitglieder ein. Zuerst nur vom Hörensagen des kleinen Sohnes, bei dem man ihm erst nicht glaubt, nimmt der Verlauf immer feste Züge an, bis er u.a. mit einem klumpen Teer spielt. Die Mutter bekommt Angst die Kinder die vielbefahrene Autobahn überhaupt überqueren zu lassen und hält ihre Hände fast schon überängstlich fest.
Auswege werden gesucht, wie eine kleine Untertunnelung, durch die man die andere Straßenseite sicher erreichen kann und auch da hat der Vater einen kurzen klaustrophobischen Anfall. Man versucht anfangs die Autobahn so gut es geht in den Alltag zu integrieren, dann zu ignorieren, z.B. durch Ohrstöpsel, geschlossene Fenster, lautem Radio und als Hilfsmittel zum Schlafen nimmt man Schlaftabletten ein. Bis sich erste gesundheitliche Auswirkungen beim Sohn und einer der Töchter zeigen, in Form von Ausschlägen.
Die Situation und die Stimmung droht umzukippen, alle sind gereizt...man versucht alles luftdicht zu machen, dass nichts von dieser Autobahn eindringen kann, bis letztendlich der Vater aufgibt und die Kinder mitnehmen will aus dieser Hölle, wenn's sein muss mit Gewalt, da die Mutter sich weigert das Haus und ihr einstiges Idyll zu verlassen. Die beiden noch bei der Familie verbliebenen Kinder stehen dazwischen, fast wie bei einer Scheidung, bei der sie sich entscheiden müssen bei wem sie leben wollen. Schließlich fügt sich der Vater und mauert die Familie heimlich komplett im Haus ein. Die ältere Tochter schaut einmal kurz vorbei und wundert sich ob der vermauerten Türen und Fenster, sie ist die einzige die sich schon vorher von dem Idyll verabschiedet (sie meint als einzige, dass ihr die Autobahn nichts ausmacht, sie das genetisch gut wegsteckt etc...)hat....eigentlich lag sie von Anfang an im Gras und wartete nur auf das richtige Auto das sie mitnimmt. Und es war in der Tat, wie der Kleine bereits sagte: Rot.
Schließlich begreift es auch die Mutter, dass es so nicht weitergehen kann und reißt mit einem Vorschlaghammer die eingemauerte Eingangstüre ein mit der Erkenntnis: ihr könnt euch einmauern und wegsperren wie ihr wollt, die Autobahn/Zivilisation lässt sich nicht aufhalten, sie wird euch immer einholen. Auch wenn ihr nicht wollt, ihr müsst mit ihr leben. Sie kann ohne euch, aber ihr nicht ohne sie. Man beugt sich schließlich seinem Schicksal und muss sein Refugium räumen, das für alle hätte tödlich enden können. Man läuft scheinbar resignativ neben der Autobahn her...vielleicht auf der Suche nach einem neuen Heim/Idyll.
Wer sich für eine ungefähre Punktwertung interessiert...ich würde ihm eine 8/10 geben. Zwar hat hier Kacey viele schöne Szenen
(vor allem in HD
), aber "Winterdieb" fand ich nen Tick besser.
SPOILER ENDE
Ein wenig erschrocken war ich nach dem Kino als ich einige Zuschauer über den Film reden hörte: "...völlig überflüssiger Film!", "..Zeitverschwendung.", etc.
Immer weniger Leute vertragen wohl anspruchsvolle Filme... Folge von zu viel Konsum von Unterschichtenfernsehen....?
Ich jedenfalls kann diesen Film nur weiterempfehlen. Man muss sich aber auf Mitdenken einlassen können.
Ich finde das schrecklich, nur weil das falsche Publikum mit falschen Erwartungen ins Kino geht und einfach den Film nicht versteht. Es gibt nun mal Leute die sich gerne mit Filmen auseinandersetzen, die eine tiefere Bedeutung haben. Es gibt zu wenig solcher Filme, aber mehr als genug Popcornkino. Genauso schrecklich wie die Kommentare des US-Publikums der Film zeige ja von Anfang an nur Nacktheit und ansonsten nur überflüssige Handlung. Naja was soll man machen, diese Leute sind schon lange ein Opfer der Autobahn.
Über Kacey brauche ich ja gar nichts mehr sagen. Besser als er hätte es wohl kaum einer gemacht und auch bestimmt nicht so freizügig.
Im Verlaufe des Films sind ja alle Darsteller mehr oder weniger nackt zu sehen, wobei ich mich bei der Mutter nicht mehr entsinnen kann und es verdeutlicht auch diese ungezwungene natürliche Freiheit, fernab von irgendwelchen moralischen Einflüssen, obwohl sich ja die jüngere Tochter bis zum Schluss aus Scham verschließt sich nackt zu zeigen, aber auch bei ihr brechen aufgrund der Stresssituation durch die Autobahn auf einmal alle Dämme. Die ganze Situation um die Autobahn verkehrt den Charakter allerFamilienmitglieder früher oder später ins Extreme oder gar ins Gegenteilige.
Aber genau sowas versteht das 0815 Publikum nicht, es sieht oberflächlich nur Nacktheit, Tristesse, Langeweile, Überflüssiges, "worum gehts?", "Autobahn" (vergleichbar mit "Bahnhof"), "gähn..." und ich hätte mich beinahe von solchen Sprüchen verleiten lassen. Der Film ist zwar ungewöhnlich, aber empfehlenswert und Kacey ist sowieso toll und entschädigt voll, dass der Film etwas unkonventionell ist.
Unglaublich dass der schon von 2008 ist.
Dieser Beitrag wurde bereits 5 mal editiert, zuletzt von »Prometheus« (19. März 2016, 14:39)