Kinderjury Kplus - Langfilm:
Den Gläsernen Bären gewann, wie schon letztes Jahr, ein kanadischer Film. „
Une colonie“ erzählt die Geschichte einer eher introvertierten Jugendlichen, die anders ist, als ihre Klassenkameradinnen. Sie wechselt in die höhere Schule. Alles ist neu, sie hat keine wirklichen Freundinnen. Sie sucht nach ihrem Platz in der Gemeinschaft. Allmählich freundet sie sich mit einem Abenaki-Jungen an.
Eine ruhige Erzählung im Stil eines Arthouse-Filmes, der nicht nur die Jury berührt hat. Aber wie Cole geschrieben hat, fanden einige Besucher den Film doch ziemlich langweilig.
Die Lobende Erwähnung ging an den französischen Film „
Daniel fait face“, mit 60 Min. Länge eher ein Zwischending von Kurzfilm und Langfilm. Die Handlung spielt in einer französischen Schule und die Klasse probt auch noch für ein (recht erwachsen wirkendes) Theaterstück. Daniel, der 10 Jahre alt ist, sieht auf einmal eine Klassenkameradin nur in Unterwäsche. Diese Begegnung wirkt sich auf den weiteren Schultag aus. Es ist eine langsame, künstlerisch erzählte Geschichte, die vielen Besuchern gut gefallen hat.
Internationale Jury (Erwachsene) mit dem Geldpreis des Kinderhilfswerkes - Langfilm:
Der Große Preis von 7500,-- € ging an den chinesischen Film „
Di Yi Ci De Li Bie“. Isa lebt in einer uigurischen Dorfgemeinschaft im Nordwesten Chinas und verbringt dort unbeschwerte Tage - bis ihm zunehmend Abschiede abverlangt werden.
Die Lobende Erwähnung ging an die niederländisch - deutsche Koproduktion „
Meine wunderbar seltsame Woche mit Tess“ nach dem gleichnahmigen Buch von Anna Woltz. Dies ist ein gewohnt solider Kinderfilm aus NL mit Charme, Witz und Botschaft, ohne päd. zu wirken und ohne kitschig oder überdreht zu sein. Der Film ist gerade mal drei Wochen vor der Berlinale fertig geworden.
Auf der Berlinalewebseite unter der Rubrik:
Preise und Jurys in der Sektion Generation findet ihr auch noch die Begründungen der jeweiligen Jurys für ihre Gewinnerfilme.
Wettbewerb:
Einen silbernen Bären, den Alfred-Bauer-Preis, gewann der deutsche Film „
Systemsprenger“. Der Filmtitel ist sozusagen das Programm des neunjährigen Mädchens, genannt Benni. Sie wechselt von Anhänglichkeit und ihrer Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit nahtlos in aggressive Ausbrüche. Sie ist ein wirklich schwieriges Mädchen. Ein frühes Trauma belastet sie. Ihre Mutter hat - klassisch - einen neuen Freund und noch jüngere Kinder. Doch Benni und der neue Freund kommen miteinander nicht zurecht. Die Mutter ist mit der Situation überfordert und überlässt das Mädchen der Fürsorge. Gleichzeitig macht sie Benni Versprechungen, die sie aber nicht einhält.
Dieser Film zeigt meines Erachtens sehr eindringlich das Wesen dieser Kinder, der „Systemsprenger“ - aber auch die Überforderung und Ratlosigkeit der Erwachsenen, die mit ihnen zu tun haben einschließlich der Fachleute der Fürsorge. In den Einrichtungen der Fürsorge sind sie ein Kind unter vielen, die Angebote der Fürsorge passen nicht oder nur bedingt auf die „Systemsprenger“ und selbst in den Einrichtungen bleiben die Kinder oft sich selbst überlassen.
Eigentlich alle Pädagogen wissen um die unberechenbaren Ausbrüche von Benni und trotzdem verletzt Benni andere Kinder. Die Pädagogen aber kommen zu spät, um diese Verletzungen zu verhindern.
Die Jugendhilfe und die Medizin fragen eigentlich nicht nach den Ursachen für Bennis Verhalten oder nach therapeutischen Alternativen.
Zucker, Reizüberflutung, zu große Gruppen in der Einrichtung mit zuwenig Pädagogen, die wirklich mit dem Kind arbeiten, schulische (abstrakte) Anforderungen statt praktischer Aufgaben im Alltag, auf die die Kinder stolz sein könnten - und natürlich die von der Pharmaindustrie so geliebten Psychopharmaka sind einige Stichpunkte, die mir der Film vor Augen geführt hat.
Alles in allem ein sehenswerter, aber auch anstrengender Film, der visuell und auch akustisch meiner Meinung nach unter die Haut geht.
Übrigens hat „Systemsprenger“ auch den Leserpreis der Berliner Morgenpost bekommen.
Einen weiteren silbernen Bären, den großen Preis der Jury, erhielt „
Grâce à Dieu“, der, wie mir erzählt wurde, die Geschichte scriptartig und nüchtern erzählt.
Außerdem gewann „
Ich war zuhause, aber“ einen silbernen Bären für die beste Regie - eine Entscheidung, die wohl sehr gemischt von den Zuschauern aufgenommen wurde.
Les grandes personnes ne comprennent jamais rien toutes seules, et c'est fatigant, pour les enfants, de toujours et toujours leur donner des explications.
A. de S.-Exupéry