Heute einmal, ein Buch aus der Kinder- und Jugendsparte.
Kirsten Boie "Nicht Chicago, nicht hier."
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Autorin: Kirsten Boie
Seiten: Oetinger Taschenbuch
Verlag: 120
ISBN-10:
3841502040
ISBN-13:
978-3841502049
Autorin:
Kirsten Boie, 1950 geboren, studierte Deutsch und Englisch an der Universität Hamburg, bevor sie in Literaturwissenschaft über Berthold Brecht promovierte. Sie unterrichte zunächst an einer Gesamtschule in der Hansestadt und gab diesen Beruf später, zugunsten ihrer Familie auf. 1985 erschien ihr erstes Buch "Paulke ist ein Glücksgriff", welches sofort erfolgreich wurde und etablierte sich damit als Kinder- und Jugendbuchautorin. Viele Werke von ihr, sind inzwischen vertont wurden. Besonderer Beliebtheit erfeut sich bei jungen Lesern die "Möwenweg"-Reihe, welche von den Kritikern schon als modernes "Bullerbü im Reihenhaus" bezeichnet wurde. Sie erhielt einen Lehrauftrag an der Universiät Oldenburg und war Schirmherrin des Kinderbuchhauses Hamburg.
Handlung:
Niklas ist ein ganz normaler dreizehnjähriger Junge. Etwas klein für sein Alter, schmächtig, aber ansonsten in der Klasse integriert. Die Schule läuft mehr schlecht als recht und so ist der Junge über die erste Zwei seit langem, in Geschichte, ziemlich erfreut, die er sich zusammen mit Karl, dem Neuen in der Klasse, erarbeitet hat. Doch die Freude ist schnell getrübt, fehlt nach Karls Besuch eine CD, die dieser nicht zurückgeben will, tatsächlich bestreitet der die Tat, auf die weitere verfolgen. Langsam gerät Niklas in eine Spirale aus Gewalt, Terror und Angst, aus der er sich selbst nicht mehr befreien kann. Seine eigenen Eltern wollen ihn anfangs nicht glauben, die Lehrerin schiebt Niklas' Zweifel auf eine pubertäre Phase des Jungen und als die Eltern schließlich an die Polizei herantreten, zeigt sich die Machtlosigkeit des Rechtsstaates. Für die sind das alles Bagatellen. "Hier ist doch nicht Chicago.", meint der Vater verzweifelt und ist ratlos. Kindern wie Niklas scheint man nicht helfen zu können, nicht helfen zu wollen...
Rezension:
In einer immer brutaler und schnelllebiger werdenden Welt, müssen auch unangenehme Themen immer wieder diskutiert werden und Kirsten Boies Werk "Nicht Chicago, nicht hier." liefert einen Ansatz, sich mit einen solchen auseinander zu setzen. Denn "Mobbing" ist und bleibt brandaktuell. Ein Phänomen, welches sich quer durch alle Gesellschafts- und Altersschichten zieht, alle Berufsgruppen betrifft und schon im Kindesalter beginnen kann, widmet sich die Autorin in Form der Hauptfigur eines dreizehnjährigen Jungen, der so normal wie alle anderen in seinen Alter auch, mit Problemen in der Schule, schlechten Noten und der beginnenden Pubertät zu kämpfen hat. Da er eher zum schlechteren Drittel seiner Mitschüler gehört, ist er froh, mit jemanden für die nächste Projektarbeit zusammen arbeiten zu können, obwohl ihn der Neue nicht ganz geheuer ist. Denn Karl ist verschlossen, einsilbig und bestimmend, er fordert und Niklas sieht sich gezwungen zu liefern und nachzugeben. Bei der CD seiner Schwester und später beim Computerlaufwerk seines Vaters. Damit beginnt eine Spirale aus der sich der Junge, der sich nicht erklären kann, warum nun ausgerechnet er, nicht mehr selbst zu befreien weiß. Anfangs schenkt ihn auch niemand Glauben und später merkt er, dass selbst die Polizei mehr als machtlos ist. Für Bagatellen werden keine Maßnahmen ergriffen und dreizehnjährige Jungs bekommen keinen Polizeischutz, den Niklas auch nicht will, aber der Junge, der einfach nur die schützende und helfende Hand eines Erwachsenen sucht, sucht vergeblich und muss so mit seiner Krise "Karl" selbst fertig werden, welches ihn bis zum Ende nicht gelingt.
Insgesamt gehört "Nicht Chicago, nicht hier." zu einen der deprimierenden Werke von Kirsten Boie, der Kontrast zu den Möwenweg-Büchern könnte nicht größer sein. Und dennoch oder gerade deswegen, ist es vielleicht eines ihrer stärksten Geschichten, die sich insgesamt schnell und flüssig lesen lässt. Darum geht es hier aber nicht. Nein, es geht darum, ein Thema zu präsentieren, Kindern etwas näher zu bringen und zu zeigen, was Mobbing, egal in welcher Form dies geschieht, mit seinen Opfern anrichten kann, das jeder zum Opfer werden kann und die in keinen Fall daran selbst schuld sind. Letzteres, eine nur zu gern und nicht näher erläuterte Begründung für die Situation der Betroffenen, meist hervorgetragen von den Tätern selbst oder Außenstehenden, die eigentlich eingreifen müssten. Der Schreibstil ist flüssig und die Aufteilung in zwei Perspektiven, einmal der Verlauf des Mobbings an sich und zum anderen der Versuch der Eltern, ihren Sohn zu helfen, tut ihr übriges.
Eine Stärke, dieses Buch endet nicht positiv, denn die Thematik lässt so etwas kaum zu und gerade dies Kindern im Alter von 10 - 12 Jahren, die eigentliche Zielgruppe, begreiflich zu machen, ist etwas, was gerade im Kinderbuchsektor ungeheuer selten vorkommt. Doch Kirsten Boie traut ihren jungen Lesern dies zu. Eine Tatsache, die ihr hoch anzurechnen ist. Doch hier liegt eine Gefahr. Man stelle sich vor, ein Mobbing-Opfer, momentan eh in einer schier ausweglosen Situation liest dieses Büchlein, noch schlimmer, wenn ein solches ein "Täter" in die Hände bekommt, falls die überhaupt lesen. Der Tenor "Auch die Bösen erreichen manchmal ihr Ziel" ist in dieser Vorstellung einfach unerträglich bzw. ist Boies Werk wohl kaum dazu gedacht, einen Hoffnungsschimmer zu vermitteln. Für Kinder als Mobbing-Opfer wohl kaum der richtige Lesestoff.
Sprachlich hält sich die Autorin an die Umgangssprache, einfach, aber "so, wie man halt spricht", schließlich reden wir hier von einen sehr jungen Leserkreis. Ein sprachliches Wunderwerk darf man also nicht erwarten. Die Personen bleiben für den Erwachsenen oder zumindest älteren Leser etwas verschwomen, tatsächlich hätte Boie gut daran getan, sich der Ausarbeitung und Charakterisierung ihrer Figuren mehr Zeit zu widmen. Auch dies, ein Schwachpunkt, den aber die Zielgruppe wohl verzeihen mag.
Fazit ist, dieses Buch gehört zu den eher durchwachsenen Kinder- und Jugendbüchern, die sich zwar mit einen hoch brisanten und wichtigen Thema beschäftigen, aber mit den Nachgeschmack behaftet sind, dass ein paar Seiten mehr, nicht geschadet hätten, denn aus den Thema selbst, hätte man mehr machen können. Der geneigte Leser wird Niklas, der Hauptfigur, wohl am Ende wünschen, dass er "nach Karl" auch wieder positve Menschen kennenlernt. Doch, ob und wie lange Niklas braucht, um wieder Vetrrauen in seine Umgebung zu bekommen, lässt Kirsten Boie offen. Schade eigentlich.
Euer samuel
Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von »samuel« (22. März 2013, 20:11)