Am Montag Abend tauschte ich kurzfristig (wegen Regen) meinen geplanten Winter-Wonderland-Besuch gegen eine Eintrittskarte für Billy Elliot. Es sollte mein erstes Musical überhaupt werden und es war, soviel kann ich vorweg nehmen, ganz sicher nicht mein letztes.
Für 44 Pfund gab es eine Karte im Dress Circle, weiter hinten, ganz links. Somit hatte ich einen guten Überblick über das Geschehen auf der Bühne, ohne jedoch Details erkennen zu können. Das Publikum in meiner Nähe war zumeist weiblich und deutlich unter zwanzig. Trotzdem war es während der Vorstellung ruhig.
Billy Elliot hatte ich mir ausgesucht, da es schon lange läuft, als bestes Musical der Dekade beworden wird, ich den Film und damit die Handlung kenne und ich daher nicht alles verstehen muss und ich davon ausgehen durfte, dass nicht nur gesungen und getanz wird.
Meine Erwartungen an das Musical wurden bei weitem übertroffen, auch wenn ich mich erst einmal ein wenig daran gewöhnen musste, dass das Musical sehr unterschiedliche Stimmungen erzeugt und bisweilen auch fröhlich ist, während der Film eher durchgehend traurig stimmt. Auch an den Darsteller des Billy musste ich mich erst einmal gewöhnen. Ich kann es nicht mit Gewissheit sagen, aber ich denke es war Ali Rasul. Im Film war der Darsteller perfekt gewählt, denn die ärmlichen Verhältnisse eines Kindes aus einer Arbeiterfamilie, der eher freudlose Alltag, die innere Zerissenheit und der Kampf um Zuneigung und Anerkennung hätten wohl kaum von jemand anerem besser dargestellt werden können.
Der Billy-Darsteller im Musical wirkte eher wie ein fröhlicher Junge aus gutem Hause, was anfangs ein wenig befremdlich auf mich wirkte, im Nachhinein betrachtet jedoch genau zum Stil des Musicals passte. Nach dem, was ich im Programmheft so alles lesen konnte und in Kombination mit dem, was ich gesehen habe, ist es schon sehr erstaunlich, dass für so ein Musical überhaupt eine Besetzung gefunden werden konnte. Ausnahmslos alle Darsteller spielten ihre Rolle perfekt. Das Zusammenspiel war aus einem Guss, die Gesangsparts klangen perfekt, die Tanzeinlagen zeugten von hohem Niveau. Wenn man bedenkt, dass die Rolle des Billy aktuell fünffach besetzt ist, die von Michael und Debbie dreifach und auch andere Kinderrollen mehrfach, so finde ich es schon herausragend, dass das Zusammenspiel so perfekt funktionierte.
Ich erwähnte, dass das Musical immer wieder eher heitere Einlagen hatte, aber auch die traurigen Momente kamen nicht zu kurz. Und so gab es dann doch die ein oder andere Szene, bei der ich gerne zum Taschentuch gegriffen hätte, wenn ich denn eines dabei gehabt hätte. Übrigens vermisste ich überraschenderweise die Schlussszene des Films, die mich damals am meisten berührt hatte. Dafür hatte man zwischendurch eine Tanzeinlage zur Musik vom Schwanensee eingebaut, in der Billy mit einem älteren Jungen (sollte dies sein älteres Ich gewesen sein) tanzte und schließlich von diesem wie beim Eiskunstlauf durch die Luft geschleudert wurde. Als Billy dann, durch ein Seil gesichert, über der Bühne schwebte und schließlich in ca. fünf Meter Höhe über der Bühne seine Kreise drehte, brandete der stärkste Beifall wäherend der gesamten Vorstellung auf.
Es ist wirklich erstaunlich, was besonders der Kinderdarsteller des Billy bei dieser dreistündigen Show zu leisten hat und auch leistet. Und das mit einer Souveränität, Ausdauer und Professionalität, dass man nur seinen Hut ziehen kann - wenn man denn einen hat. Mir stehen diese Dinger ja nicht. Dabei machte "Billy" nicht einmal den Eindruck, dass ihn das Ganze irgendwie angestrengt hätte, er wirkte zu jeder Zeit munter und man hatte das Gefühl, dass er es sehr genoss der Star des Abends zu sein.
Es gab viele nette EInlagen und überraschende Momente, die man nicht beschreiben kann. Somit kann ich nur jedem Interessierten nahelegen, dieses Musical zu besuchen.
Meinen Respekt allen Beteiligten und besonders "Billy"!