So, ich habe noch etwas gefunden. Es gab in den 50er und 60er-Jahren eine Zeitschrift mit dem Namen "Film Revue". Bei meiner Suche nach Material zu Adi Lödel stieß ich auf ein Antiquariat, dass die alten Ausgaben dieser Zeitschrift führt. Und ich fand die Ausgabe Nummer 17 von August 1955. Ich bezahlte ein Vielfaches des damaligen Preises von 60 Pfennig für eine 36-seitige Zeitschrift. Aber sie enthält einen Artikel zum Tod Adi Lödels mit Photos dabei. Mit einem OCR-Programm habe ich den Artikel eingescannt und möchte ihn hier nun wiedergeben. Das muss nartürlich etwas anders geschehen als in der Zeitschrift, weshalb ich Texte und Bilder umstellte um sie hier in diesen Thread einzubinden..
„Junge, bleib so, wie du bist!“
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FILM-REVUE besuchte Eltern und Freunde des jungen Schauspielers Adi Lödel, der den Freitod suchte
Der Freitod vergessener, verkannter und verzweifelter Stars gehört seit eh und je zur Ge¬schichte des Films, weil in kaum einem anderen Beruf Glanz und Elend so eng beieinanderstehen wie beim Schauspieler. Immer wieder tauchen neue Sterne am Filmhimmel auf, während andere im Zenit ihres Lebens verlöschen. Besonders tragisch ist jedoch ein Fall wie der Adi Lödels, des jungen, hoffnungsvollen Nachwuchsschauspielers, der sich in der Nacht vom 23. zum 24. Juni 1955 im Garten seines Hamburger Elternhauses erhängte.
Adi Lödel, am 14. 12. 1937 (Schütze) in Hamburg geboren, wirkte schon als Neunjähriger im Kinderfunk mit und wurde beim NWDR bald pausenlos im Schulfunk, in großen Hörspielen und zuletzt auch im Fernsehen (mit Bruni Löbel) beschäftigt. Seine erste Filmtätigkeit war eine Synchronisationsaufgabe in „Ditte — ein Menschenkind“. 1949 spielte er bei Willi Kollo seine erste Bühnenrolle in dem Schauspiel „Das Märchen vom armen Hamburger Mädchen“. Seine kleinen Gagen verwendete der Junge zur Bezahlung seines Sprach- und Schauspielunterrichts. Inzwischen erhielt er auch die erste Filmhauptrolle neben Walter Richter und Angelika Hauff in „Lockende Gefahr“ (1951). Obwohl Adi in den folgenden Filmen „Entscheidung vor Morgengrauen“, „Hilfe, ich bin unsichtbar“, „Verschleierte Maya“, „Ich hab’ mein Herz in Heidelberg verloren“, „Liebeskrieg nach Noten“ und zuletzt in „Kinder, Mütter und ein General“ nur Nebenrollen sptelte, sagte man ihm eine große Karriere voraus. Seine Regisseure wünschten ihm: „Junge, bleib so, wie du bist!“
Aber gerade das widerstrebte dem frühreifen Adi. Er wollte schließlich nicht immer der „Junge“ bleiben und das Schicksal so vieler Filmkinder teilen, die man nicht mehr einzusetzen verstand, weil sie inzwischen „zu groß“ geworden waren. Doppelt quälend war für ihn dieser Gedanke, als er merkte, daß ihn die Mädchen nicht für voll nahmen. Sie sahen in ihm den „kleinen Filmstar“, und ein Autogramm von ihm schien ihnen wichtiger als ein Kuß. Das erlebte er so oft, daß daraus ein Komplex erwuchs.
Adi suchte mit frappierender Offen-heit bei seinen Eltern (zu denen er, im Gegensatz zu vielen Meldungen der Boulevard-Presse, in einem ausgezeichneten Verhältnis stand) Rat. Sein leiblicher Vater war zwar 1939 tödlich verunglückt, aber sein Pflegevater, der Tischler W. Lödel, sorgte sich sehr um seinen Pflegesohn. Die Familie hatte nach dem Krieg in einer sauberen, sehr gemütlichen Hamburger Barackenwohnung ein schönes Heim gegründet, in dem sich der Junge immer wohlfühlte. Unter seinen Kollegen gehörten Inge Meysel und Marga Maasberger zu seinen Vertrauten. Und trotzdem fühlte er sich am Ende verlassen.
Am letzten Abend seines Lebens durfte Adi nicht ins Kino gehen. Gleichzeitig bekam er wieder einmal einen „Korb“. Daß trotzdem alle Nachbarn so nett und zutunlich zu ihm waren, wie man es im allgemeinen nur zu Kindern ist, konnte ihn nicht trösten, denn er fühlte sich seiner Umgebung wohl längst entwachsen. In der Nacht hatte er heftige Kopfschmerzen und besuchte verschiedene Nachbarn, die er um schmerzstillende Tabletten bat. Vielleicht hat ihn auch gerade das Mitgefühl seiner Umwelt dazu veranlaßt, aller Welt zu beweisen, daß er doch ein „Kerl“ sei, den man emstnehmen mußte. Einer, der sich in diese Rolle so hineinsteigerte, daß er den Freitod als entscheidenden Akzent seiner Lebensrolle ansah. In unserer Erinnerung wird Adi Lödel als ein manches versprechender junger Schauspieler haften bleiben, der die Lösung des Rätsels um sein tragisches Ende mit sich in das Reich der Schatten nahm.
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„Lockende Gefahr“ hieß der erste Film
Adi Lödels (1951), in dem er durch seine
unbeschwerte, natürliche Darstellungskunst
aufmerken ließ.
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Dieses letzte Foto, das kurz vor dem Tode des
jungen Schauspielers gemacht wurde, läßt klar
die Veränderung vom Kind zum angehenden Mann
ahnen.
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Entgegen allen anderslautenden Meldungen
verband den so tragisch verstorbenen Jungen
eine innige Zuneigung mit seinen bescheidenen
Eitern.
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Seine letzte Filmrolle spielte der begabte Nachwuchs¬
schauspieler in dem Kriegsfilm „Kinder, Mütter und
ein.General“. Unser Foto zeigt ihn während der
Dreharbeiten zu diesem Streifen. Regisseur Benedek
gibt den Jungens die letzten Anweisungen für eine
schwierige Szene.
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Bild oben: Vor zwei Jahren hatte sich Adi Lödel den
Pfadfindern ange- schlossen, die von seinem besten
Freund, dem Pfarrerssohn Gerhard Mayewald (ganz
oben) geführt wurden. Mit diesem unternahm er 1954
eine Fahrt nach Schweden und am letzten Sonntag
seines Lebens bei strahlendster Laune eine ausgedehnte
Bootsfahrt auf der Alster.
Fotos: Intercontinental / Schorcht / Lilo, Real / Allianz, Privat (3)
ich hoffe, dieser Artikel erhellt noch einmal ein wenig das Leben und den frühen Tod dieses wunderbaren Nur-YS aus den 1950er-Jahren.
Ender
Europa ist unser aller Zukunft. Wir haben keine andere.
Hans-Dietrich Genscher